7. Kindermädchen Lena

Lena hat sie geliebt, ihre Goldstücke Luigi, Daria und ganz besonders den kleinen Guido in ihrer Stellung bei den italienischen Dienstherren in Varese.

Lena hat mich schon erwartet. Auf dem Stubentisch vor uns liegen ausgebreitet verschiedene Fotografien in Schwarz-Weiß. Wir betrachten die Bilder, und die Erinnerung an diese längst vergangene Zeit, in der Lena das Kindermädchen von Luigi, Daria und Guido gewesen ist, dringt in die Gegenwart. Wie von selbst fängt Lena an, zu erzählen. Von den drei Kindern. Dass zunächst nur die beiden älteren zu versorgen waren, dass der Jüngste erst im vierten Jahr, in dem Lena in Varese gearbeitet hat, zur Welt gekommen ist. Um nun aber die vielen Abenteuer, die Lena mir aus ihrer Erinnerung preisgibt, besser einordnen zu können, muss ich weiter in die Vergangenheit zurückgehen.

„Wo seid Ihr geboren, Lena?“

Frage ich natürlich mit der in Südtirol üblichen Höflichkeitsform der zweiten Person Plural, die eine gute Möglichkeit bietet, einer älteren Person Respekt zu zollen, ohne das saloppe „Du“ zu benützen und auch nicht das allzu distanzierte „Sie“. Wie Lena „In Gomagoi“ antwortet, muss ich verdutzt geschaut haben, denn sie ergänzt umgehen: „Unterm Ortler, gleich beim Stilfser Joch.“ Das ist doch sehr abgelegen. „Wie war das Leben da oben?“ Karg sei es gewesen und bei acht Geschwistern auch entbehrungsreich. Früh sei man zum Arbeiten weggekommen. Aber sie hatte es mit ihrer Stelle auf der Schaubachhütte auf 2.581 Metern gut getroffen.

Nach Italien wollte sie dennoch.

 „Weil i hon dia walschn Gäst jo net verstanden.“ Verstanden hatte Lena dann die Italiener auch in Varese nicht, was dazu führte, dass sie Unmengen an Heimwehtränen in der Fremde vergoss. Und dann, als sie 1962 ihre Dienstfamilie in Varese verlassen hat, um zu Hause ihren Josef zu heiraten, da flossen ihre Tränen literweise, weil ihr die Kinder, ganz besonders der kleine Guido, so ungemein gefehlt hatten.

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